Dienstag, September 11, 2007

Holenwegers "Orientierungshilfen" - Oder: vom zu perfekten Klischee eines Geheimplanes

Ex-Bankier Oskar Holenweger bezeichnet die bei ihm gefundenen Dokumente als persönliche Orientierungshilfen (NZZ vom 11.9.07).

Das ist einfach seltsam. Wir spekulieren!

Wie ist denn dieser Flipchart mit den Stichworten "VERSCHWÖRUNG" und "DEEPTHROATS" zu verstehen, zwei terminologischen Klassikern aus dem Komplottuniversum? Hat sich der Autor überlegt, ob sich jemand gegen Roschacher verschworen haben könnte? Hat er das geglaubt? Wünschte oder erhoffte er sich das? Was führte Holenweger dazu, solche Begriffe nicht nur prominent auf diese Seite zu platzieren, sondern sie dann auch zu photographieren und schliesslich Monate später in einer Kamera in Deutschland mit sich zu führen und sich so lange obskur zu verhalten, bis er von der Polizei kontrolliert wurde? Einfach nur so wird man ja als Fussgänger mit kaukasischen Gesichtszügen von der Polizei nicht gleich jeden Tag kontrolliert, dazu braucht es mehr als Ungeschick, man ist versucht zu sagen, dazu braucht es Geschick! - Und übrigens, wieso hat Holenweger die Flipcharts photographiert, dann die Papierbögen aber doch auch aufgehoben? Wem wollte er die Photos zeigen?

Wie ist der Flipchart mit dem Stichwort "eingekreist" zu verstehen? Wieso befindet sich das Kürzel "VR" (= Bundesstaatsanwalt Valentin Roschacher?) im Zentrum der Skizze? Welchen Sinn macht die kreisförmige Darstellung? Dazu "BKP" (= Bundeskriminalpolizei?), "BLOCHER" (?), "UR? (= Untersuchungsrichter?), "Bell..." (= Bellinzona?), "Intern", "..P.." (= GPK?), "H" (= Holenweger?) "WEWO" (= Weltwoche?). In der Erinnerung des flüchtigen Betrachters bleibt ein Fadenkreuz hängen. Geht es dieser Darstellung vor allem um die assoziative Wirkung? Ja überhaupt, wollen diese Papiere bloss dokumentieren oder nicht doch eher wirken? Sind sie nicht auf das Erzielen eines Effektes angelegt? Wie würde ein Werbeprofi die appellative Wirkung dieser "Plakate" beurteilen?

Wie ist der Flipchart mit dem Stichwort "DOUBLE AGENT" zu verstehen? Was sollen denn das für Gedankengänge sein? Die Hauptsache an diesem Chart sind doch prominent in Szene gesetzte Stichworte wie "DOUBLE AGENT", "MAULWURF", "NO PROTECTION" oder "NO PRISON ...". Könnte das für ein Schweizer Publikum bestimmt sein, das die Worte aus dem Jahr 2000 von Novartis Pharma Chef Ebeling "no prisoner" noch irgendwo im Hinterkopf hat? Die Wirkung dieser Charts beruht auf den Assoziationen, die die Begriffe auslösen, Gedankenabfolgen sind schwierig auszumachen. Und wieso ist der Name von Roschacher falsch geschrieben, mit einem r nach dem o? Holenweger kennt ihn doch?

Kommt Ihnen da nichts komisch vor? Es könnte ein persönliches Brainstorming sein, ja. Aber ist die Bezeichnung der Papiere als persönliche Auslegeordnung oder Orientierungshilfe auch plausibel? Weshalb denn diese satten Titel mit ihrer Appellwirkung? Wendet sich nicht jede dieser Flipchartseiten an ein (imaginäres?) Publikum? Versuchten wir, uns die fiktiven Planskizzen einer fiktiven Verschwörung vorzustellen, sähen sie nicht genau so aus?!

Das ist es, was irritiert. Diese Dokumente entsprechen in höchstem Masse dem Klischee eines Geheimplanes. Genau so stellen sich das der Mann und die Frau von der Strasse doch vor! Die Graphiken suggerieren eine Komplexität der Gedankengänge, dabei sind sie simpel und für jedermann nachvollziehbar. Die Kürzel suggerieren Geheimnisse, dabei können sie ohne grosse Vorkenntnisse von jedem Leser verstanden werden. Ist das ganze nicht doch eher ein Etikettenschwindel!

Diese Papiere wirken doch nicht wie eine Orientierungshilfe sondern sie haben einen appellativen Charakter.

Pardon, je länger desto mehr wecken diese Darstellungen in uns grosses Misstrauen. Sollen sie uns etwa glauben machen, etwas zu sein (ein Geheimplan), obwohl sie es nicht sind (es ist kein Geheimplan), damit, wenn wir es dann glauben (dass es ein Geheimplan sei), dies als Hirngespinst (kein Geheimplan) entlarvt werden kann, was es ja ist (kein Geheimplan). Wäre das der Fall, so wäre es unglaublich! Unglaublich clever. Beängstigend dazu.

Oder hat Ex-Bankier Holenweger tatsächlich selbst eine Verschwörung gegen VR für möglich gehalten, sich gefragt, von wem sie ausgehen könnte und versucht, ihren Ablauf zu rekonstruieren? Seine Aussagen vom 11.9.07 deuten in diese Richtung:

Holenweger weist alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Falls es jemals einen Komplott gegen Bundesanwalt Roschacher gegeben habe, dann wären die Verantwortlichen bei der Bundesanwaltschaft oder bei der Bundeskriminalpolizei zu suchen, schreibt er in der Stellungnahme. Aus diesen Kreisen seien seit Dezember 2004 Schlüsselnachrichten an die Medien gelangt, die zum späteren Eklat geführt hätten.
Allerdings ist verblüffend (siehe Bild H-Plan), wie viele Details Holenweger bekannt waren.

Wir spekulieren, wohlgemerkt, dies ist eine Gedankenübung. - Wieso wir eigentlich spekulieren, wenn wir uns doch sonst gerne mit praktischen Ueberlegungen abgeben? - Weil an dieser Sache etwas faul zu sein scheint, deshalb.

(Bilder aus der Weltwoche online)

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