Montag, August 20, 2007

Kostenbeteiligung jugendlicher Rauschtrinker - Unmöglich

Verena Diener, ehemalige Gesundheitsdirektorin des Kantons Zürich, fordert von jugendlichen Rauschtrinkern eine Kostenbeteiligung bei notfallmässigen Behandlungen (NZZ am Sonntag, 19.8.2007).

Es wäre wünschenswert, dass die Kosten, die durch eine fahrlässige oder sogar mutwillige Schädigung der eigenen Gesundheit dem Gesundheitssystem und letztlich den Prämienzahlern entstehen, durch die Verursacher bezahlt werden müssen.

Allerdings funktioniert unser System der sozialen Krankenversicherung nicht auf diese Art und Weise, und es ist erstaunlich, dass eine Ständeratskanditatin hier nicht mehr Durchblick beweist. Niemand muss in der Schweiz für sein Fehlverhalten selbst bezahlen. Das ist im gleichen Moment der grosse Vorteil aber auch Nachteil unseres Systems. (Fast) Alle Patienten werden gleich behandelt.

Wer eine Kostenbeteiligung propagiert, sollte sich gescheiter einmal informieren, wie viele Diagnosen - von Erwachsenen! - auf Notfallstationen auf übermässigen Alkoholkonsum zurückzuführen sind. Oder auf übermässige Kalorienaufnahme und Bewegungsmangel mit all ihren kurz- und langfristigen Komplikationen (Uebergewicht, Diabetes, Arteriosklerose, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Bypassoperation, etc.). Oder zuviel Sonne. Oder zuwenig Schlaf. Oder riskantes Verhalten beim Grümpelturnier, ja überhaupt die Teilnahme daran. Die Liste liesse sich beliebig verlängern.

Eine mögliche Massnahme wäre: die Krankenkassenprämien mit Verhaltensauflagen verknüpfen. Wer sich erwiesernermassen selbstzerstörerisch verhält, bezahlt einen Prämienaufschlag. Wer nicht raucht z.B., erhält einen Rabatt.

Die Krux liegt beim Wörtchen "erwiesenermassen". Der Nachweis ist schwierig zu führen. Schon die Frage, ob Alkoholabstinenz einen Rabatt nach sich ziehen sollte, wird kaum lösbar sein. Eine geringe Menge Alkohol soll die Lebensdauer verlängern. Müssten Abstinente sogar mehr Prämien bezahlen?

Die Konsequenz des Prinzips wäre: Wer mindestens dreimal eine halbe Stunde pro Woche Sport betreibt, erhält einen Rabatt. Uebergewichtige bezahlen einen Aufpreis. Workaholics bezahlen einen Aufpreis. Singles bezahlen einen Aufpreis (dauerhafte Partnerschaften senken erwiesenermassen verschiedenste Gesundheitsrisiken). Und so weiter, Sie verstehen, die Forderungen der Versicherer werden in diese Richtung gehen.

Prämien würden dann aufgrund eines individuellen Risikoprofils erstellt, wie dies die Lebensversicherer bereits heute tun. Dabei könnte man durchaus unterscheiden zwischen fix gegebenen Risiken (z.B. Gentyp) und beinflussbaren Risiken (Nikotin). Aber wieviel an Ueberwicht z.B. ist genetisch, wieviel durch Verhalten bedingt? Niemand weiss es!

Wünscht Frau Diener einen grundlegenden Umbau unserer Krankenversicherung in Richtung mehr Selbstverantwortung? Wir nehmen das nicht an - obwohl man es sich einmal überlegen müsste...

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