Dienstag, September 29, 2009

Verhaftung Polanski - das Dilemma

Der bekannte Filmregisseur Roman Polanski wurde beim Versuch, am Filmvestival Zürich einen Preis entgegen zu nehmen, bei seiner Einreise am Flughafen Zürich verhaftet.

Wegen der Vergewaltigung einer 13jährigen durch Polanski im Jahr 1977 in der Villa von Jack Nicholson lag ein internationaler Haftbefehl vor. Dafür konnte er nie bestraft werden, er gab seine Tat zwar zu, flüchtete jedoch während des Verfahrens und hatte seitdem die USA nie mehr besucht. Offenbar gelang es ihm seither, sich in Europa relativ frei zu bewegen. Dies, obwohl der Staat Kalifornien den Haftbefehl wiederholt bestätigt hatte, und auch mehrmals Drittstaaten um die Auslieferung Polanskis gebeten hatte. Von Frankreich war dies nie zu erwarten gewesen, angeblich, weil Polanski neben der polnischen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt.

Nun sind die Reaktionen auf diese Verhaftung gespalten, und von grosser Emotionalität. Die einen sagen ungläubig, es kann doch nicht sein, dass nach so vielen Jahren unbehelligter Reisen, nachdem Polanski sogar in der Schweiz ein Chalet hat, also hier gewohnt hat, nachdem er in Deutschland vor kurzem für ein halbes Jahr einen Film gedreht hat, nachdem er in Berlin und Venedig schon ohne Probleme Preise entgegen nehmen konnte, es kann doch nicht sein, dass er nun von der Schweiz auf einmal verhaftet wird.

Die anderen sagen ebenso ungläubig, es kann doch nicht sein, dass hier offenbar seit Jahren rechtsstaatliche Prinzipien mit Füssen getreten wurden, dass jemand nur wegen seines Status als Berühmtheit einer Verhaftung immer wieder entgehen konnte, wo es doch um ein Sexualdelikt an einer Minderjährigen geht, und diese zudem auf perfide Art und Weise gefügig gemacht worden war. Auch müssten wir bedenken, dass die Schweizer eben vor kurzem der Unverjährbarkeit solcher Straftaten auch bei uns zugestimmt haben.

Das buchstäbliche Recht auf ihrer Seite haben die Befürworter einer Ahndung der Straftat, deshalb haben die Schweizer Behörden einer Verhaftung auch zugestimmt. Es muss uns also interessieren, weshalb denn doch so viele aufgeklärte und in Rechtsfragen sonst durchaus sensible Personen diese Massnahme als Ungerechtheit oder doch zumindest als ungeschickt oder dumm empfinden.

Aus der langen Liste von Ueberlegungen seien hier zwei herausgegriffen:

1. Wie kann es sein, dass man nach dem politisch naiven Umgang mit Gaddafis Sohn bei seiner Verhaftung in Genf vor 2 Jahren, nun analog dazu den gleichen politischen Fehler noch einmal begeht, obwohl die Affäre Gaddafi die Schweiz seit Wochen beschäftigt? Gibt es denn bei unseren Behörden keine Leute, die über ihre Nasenspitze hinausdenken können? Werden da wirklich immer nur Verordnungen und Anweisungen buchstabengetreu umgesetzt? Das ist ja erschreckend! Wieso hat z.B. niemand dafür gesorgt, dass dieser Polanski vor seinem Abflug aus Wien ein SMS gekriegt hat, das ihn warnte? Wir sprechen hier nicht über Gerechtigkeit, sondern über Politik. Wer glaubt denn, dass Politik immer gerecht sei? Wer glaubt denn, dass Justiz immer gerecht sei? Dass man ein solch politisch klügeres Vorgehen bei unseren Bundesbehörden nicht schafft, dass man, trotz der Affäre mit Libyen, immer noch nicht begriffen hat, wie man im Interesse des Landes agieren soll, das ist unglaublich.

2. Der ganze Fall zeigt exemplarisch, dass die lebenslange Unverjährbarkeit von Straftaten ein Schwachsinn ist. Je grösser der Zeitraum seit einer Tat, desto komplexer die Sachlage. Desto mehr Fehler und Unzulänglichkeiten schleichen sich in die Verfahren ein. Und, am wichtigsten, je mehr Zeit vergangen ist, desto weniger sind Opfer und Täter noch identisch mit den ursprünglichen Personen. Bestraft man überhaupt noch die gleichen Menschen, die die Tat begangen haben, oder handelt es sich nicht um jemand anderen? Hier liegt unserer Ansicht nach der Kern des Unbehagens vieler Skeptiker heute, sie sind irritiert über die Verhaftung Polanskis, nicht weil er berühmt ist, sondern weil an ihm und seinem Opfer deutlich wird, was 30 Jahre Lebensgeschichte sind.

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