Sonntag, April 30, 2006

Karikaturen von Mohammed

Durch die Publikation von Karikaturen von Mohammed und Allah durch eine dänische Zeitung Ende 2005 fühlten sich weite Kreise im Islam in ihren religiösen Gefühlen verletzt und es kam Ende 2005 und Anfang 2006 zu zahlreichen z.T. gewaltsamen Demonstrationen gegen den Westen in verschiedensten Städten der islamischen Welt. Dänische Botschaften wurden angegriffen und Morddrohungen gegen westliche Autoren ausgestossen.

In den europäischen Printmedien wurde darauf intensiv diskutiert, ob diese Karikaturen aus Solidarität nachgedruckt werden sollten. Wenige taten es, die meisten entschieden sich gegen eine Publikation. Interessant war in der Folge, zu sehen, wie schwer sich die Redaktionen taten, ihren Entscheid zu rechtfertigen.

Die Begründung lautete oft: wir sind zwar für die freie Meinungsäusserung, gerade auch in religiösen Fragen, doch wir wollen die religiösen Gefühle der islamischen Gläubigen nicht weiter verletzen, zumal es sich bei den Karikaturen mehrheitlich um, von einem rein handwerklich gesehenen Standpunkt, qualitativ schlechte Werke handelte.

Hier wurde eine (intuitiv?) richtige Entscheidung mangelhaft, ablenkend oder unzutreffend begründet. Die korrekte Erklärung müsste doch so lauten: Unmittelbar nach der Erstpublikation der Karikaturen gab es, bei vorhandenem Publikumsinteresse, keinen, aber auch gar keinen Grund, diese nicht nachzudrucken, jedenfalls soweit man dem sonst vorherrschenden Selbstverständnis der Medien insbesondere deren Verständnis von Pressefreiheit folgt. Nachdem jedoch der Konflikt wie bekannt eskaliert war, hätte jeder Nachdruck sich in den Dienst der Agitatoren gestellt, die diese Karikaturen instrumentalisiert hatten. Offensichtlich hätte man islamistischen Scharfmachern in die Hände gespielt. Mit religiösen Gefühlen hat dies nur am Rande zu tun, nämlich insofern diese missbraucht wurden, um politische Interessen zu verwirklichen.

Der eigentliche Grund, der gegen einen Nachruck sprach (und eine Zeitlang noch sprechen wird), war die damit einhergehende Instrumentalisierung durch politisch-religiöse Aktivisten, die es zu vermeiden galt.

Dies ist ein gutes Beispiel für die kontextgebundene Funktion von Wahrheit. Es gibt Momente, in denen die Wahrheit gesagt werden muss - und andere, in denen sie gerade nicht gesagt werden darf!

Vielleicht ist dieser Grund in dieser Deutlichkeit nirgends erwähnt worden, weil es naheliegend wäre, die Frage der Instrumentalisierung auch auf andere Gebiete anzuwenden. Würden z.B. nicht weniger Entführungen stattfinden, wenn der Westen die Berichterstattung darüber konsequent einschränkte?

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