Freitag, Februar 11, 2005

Bärendienst der SBB

S-Bahnhof Zürich, Gleis 21, schon zweimal hat der Zugbegleiter auf dem Perron Reisenden vor mir Auskunft gegeben, es nähert sich ihm ein dritter und die Antwort ist erneut: „Nein, dieser Zug ist eine S-Bahn und hält nicht in Schlieren, nein, dieser Zug hält nicht in Dietikon, dazu müssen Sie die S 12 nehmen auf dem Gleis nebenan, nein, dieser Zug hält nicht in Spreitenbach-Killwangen, dazu müssen Sie...“ Ich bin, so leid er mir schon tut, der vierte innert Sekunden, der ihn um die gleiche Auskunft bittet.

Die schweizerischen Bundesbahnen haben sich beim Fahrplanwechsel im Dezember 04 mit der Abschaffung bzw. Verschlimmbesserung der handlichen und äusserst praktischen, an jedem Bahnhof aufgelegten Streckenpläne, einen Bärendienst geleistet, und dies gleich in doppelter Hinsicht.

Erstens werden sie so Gelegenheitsfahrer verlieren. Da diese den Zug selten benutzen, kennen sie den Fahrplan nicht auswendig. Je einfacher sie daher Zugang zu Informationen wie Abfahrts- und Ankunftszeit sowie Haltestellen bekommen, desto eher werden diese Kunden im entscheidenden Moment anstelle des Autos die Bahn nehmen. Versteckt die SBB diese wichtigste PR-Information vor ihrer Klientel, betreibt sie ein Anti-Marketing. Gelegenheitsfahrer sind ausserdem mögliche zukünftige Käufer eines Abonnementes und gehören damit in einer durchdachten Marketingstrategie zur Kernzielgruppe der Oeffentlichkeitsarbeit.

Zweitens müssen nun die bemitleidenswerten Zugbegleiter ihren Kopf hinhalten dafür, dass im ganzen HB Zürich nirgends mehr - ausser durch Auskunftspersonen - zu erfahren ist, ob ein Zug in z.B. Killwangen-Spreitenbach halten wird. Das weckt nostalgische Erinnerungen an Interrail-Reisen auf südeuropäischen Linien.

Angesichts von Problemen bei der Information der Zugpassagiere im Fall von z.B. Stellwerkstörungen, wie erst kürzlich wieder in Zürich, von der Einführung eines komplexen Monitorsystems zu träumen, notabene angesichts der Tatsache, dass nicht einmal die bestehenden und geplanten Zugsinformations-/-kontrollsysteme voll funktionieren, dabei aber ein seit Jahren bewährtes narrensicheres Informationsmittel praktisch aus dem Verkehr zu ziehen, ist ein Eigentor der obersten Güteklasse.

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